Seit Jahren wird in Luxemburg die Werbetrommel für Pflegeberufe gerührt. Eine chaotische Ausbildung und mangelnde Perspektiven führen allerdings dazu, dass Luxemburg im Pflegebereich alles andere als gut aufgestellt ist. Für die Generalsekretärin der „Association nationale des infirmières et infirmiers du Luxembourg“ (ANIL) ist es bereits fünf nach zwölf.
„Bist du ein sehr hilfsbereiter Mensch und macht es dir Spaß, dich um andere zu kümmern und sie zu umsorgen? Dann bewirb dich in der Pflegebranche! Jeden Tag nach der getanen Arbeit kannst du sicher sein, dass du gebraucht wirst und du der Gesellschaft etwas Positives zurückgibst. Nach deiner Ausbildung in einem Pflegeberuf kannst du dich zudem auf vielseitige Einsatz- und Weiterbildungsmöglichkeiten freuen.“ So oder so ähnlich wirbt man in unserem Nachbarland Deutschland für Pflegekräfte. „Wer eine Ausbildung in der Pflege beginnt, ergreift einen Beruf mit Perspektive. Das gilt heute mehr denn je“, sagte Dr. Franziska Giffey, deutsche Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Mitte letzten Jahres vor laufenden Kameras. „Durch die Reform der Pflegeberufe wird die Ausbildung zur Pflegefachperson in Deutschland modernisiert und attraktiver gemacht sowie der Berufsbereich der Pflege insgesamt aufgewertet. Das vom Bundesfamilienministerium gemeinsam mit dem Bundesgesundheitsministerium vorbereitete und im Juli 2017 verkündete Pflegeberufereformgesetz schafft den Rahmen für den Start der neuen Pflegeausbildungen ab Anfang 2020.“
Auch wenn die Reform nur sehr langsam Fahrt aufnimmt, so kann man in manchen Bundesländern doch schon erste Ansätze für eine Verbesserung der Ausbildung im Pflegebereich erkennen. Im Saarland, um nur dieses Beispiel zu nennen, kann der oder die Auszubildende bereits ein Pflegestudium machen, das einen Bachelorabschluss ermöglicht.
Und das ist der springende Punkt. Auch in Luxemburg wird seit Jahren die Werbetrommel für die Pflegeberufe gerührt, doch der Wirrwarr in der Ausbildung, die von den meisten Schülern heute als absolut chaotisch eingestuft wird, sowie die mangelnden Berufsperspektiven sorgen dafür, dass das Interesse an einem Pflegeberuf zunehmend schwindet. „Die letzten Zahlen, die mir vorliegen, stammen aus 2018. In dem Jahr zählte Luxemburg insgesamt nur 28 Schüler im Abschlussjahr der Krankenpflegeausbildung“, sagt Tina Koch, psychiatrische Krankenpflegerin und Generalsekretärin der ANIL. „Das spricht doch für sich, oder?“
Dazu komme, dass viele Krankenpfleger(innen) nach nur kurzer Zeit ihren Beruf an den Nagel hängen oder sich mit dem Phänomen der „Inneren Kündigung“ herumplagen (Innere Kündigung ist im Personalwesen die Arbeitseinstellung einer Arbeitskraft, zwar das Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigung aufzugeben, aber die Arbeitsleistung durch Verweigerung von Eigeninitiative und Arbeitseinsatz in einem großen Ausmaß zu senken). „Die Frage, warum das so ist, wird sich kaum bis gar nicht gestellt. Hier wäre eine Recherche dringend angebracht.“
Tina Koch ist Generalsekretärin der ANIL Foto: Roger Infalt
„Beruf wird schlecht verkauft“
Wenig verwunderlich also, dass wir uns seit vielen Jahren in unseren Nachbarländern nach geeignetem Pflegepersonal umsehen müssen, zum Leidwesen der gesundheitlichen Versorgung in diesen Ländern. „Im Moment arbeiten rund 7.100 ausgebildete Krankenpfleger in Luxemburgs Kliniken. Ganze 65 Prozent, also rund 4.600 dieser Pflegekräfte, kommen aus dem Ausland. Das müsste doch zu denken geben und zum schnellen Handeln anregen …“, so Tina Koch weiter.
„Die Brisanz liegt darin, für alle Krankenanstalten sowie nachgelagerten extramuralen Bereiche, nicht nur ausreichend Personal, sondern Personal mit der richtigen Qualifikation zu finden. Dies wird uns noch in den nächsten Jahren beschäftigen. Für uns ist es enorm wichtig, Prognosen für die Zukunft zu erstellen und damit frühzeitig bspw. eine Pensionierungswelle vorauszusehen. Denn eine Ausbildung ist ja nicht von heute auf morgen abgeschlossen. Durch die Novellierung des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes im Jahr 2016 wird die Pflege zunehmend akademisiert und dadurch spürt man auch eine erhöhte Zulaufrate zu diesen Berufen. Das ist natürlich wichtig für die kommenden Jahre“, so Franz Mannsberger, MBA, Pflegedirektor der Tirol Kliniken, auf der Internetplattform „Zukunft Österreich“.
Breit angelegte Aufwertung
Die Probleme im Pflegebereich sind also nicht Luxemburg-spezifisch, doch viele Länder haben, im Gegensatz zu Luxemburg, bereits gehandelt. „Die Pflegeberufe werden in Luxemburg noch immer schlecht nach außen hin verkauft. Der Krankenpflegeberuf beinhaltet weit mehr als nur Bettpfannen leeren“, so die Generalsekretärin der ANIL provozierend. „Schade nur, dass dies draußen oft so gezeigt oder gesehen wird.“ Es sei einerseits wichtig, durch eine hohe Ausbildungsqualität gute Pflege für die Zukunft zu sichern, anderseits würde die Möglichkeit eines Masterabschlusses die Zukunftsperspektiven und auch die Zufriedenheit am Arbeitsplatz mit Sicherheit wesentlich erhöhen. „Wir müssen schnellstens weg vom bestehenden chaotischen Ausbildungsweg, wir brauchen endlich geordnete Bahnen, in denen sich Schüler oder Studenten Richtung Pflegeberuf bewegen können. Wir brauchen eine akademisierte Pflege. Wir brauchen eine Ausbildung, die nicht nur eine Berufslehre, sondern ein richtiges Studium mit einem möglichen Bachelorabschluss begreift und die dem Gesundheitssektor insgesamt nur Vorteile bringen kann. Wir brauchen eine breit angelegte Aufwertung unseres Berufsstandes“, sagt Tina Koch.
Luxemburg sei medizinisch gut aufgestellt, pflegerisch jedoch nicht. „Wenn wir unseren Pflegesektor nicht vollends gegen die Wand fahren wollen – und das will doch sicherlich niemand –, dann müssen wir schnell handeln. Der politische Wille dazu scheint vorhanden, dass nicht laut darüber gesprochen wird, hat zurzeit wohl strategische Gründe. Es sollte aber jedem bewusst sein, dass die Zeit drängt, denn es ist längst nach zwölf.“
Zur Person
Tina Koch hat nach ihrem Schulabschluss am „Lycée du Nord“ in Wiltz den Beruf der psychiatrischen Krankenpflegerin am „Lycée technique pour professions de santé“ erlernt. Sie arbeitet seit 2001 im CHNP („Centre hospitalier neuro-psychiatrique“) in Ettelbrück. In den Reihen der ANIL bekleidet sie das Amt der Generalsekretärin. Koch ist auch politisch aktiv. Am 2. Februar 2019 wurde die 40-Jährige zur Präsidentin des LSAP-Nordbezirks gewählt.
https://www.tageblatt.lu/headlines/von-mangelhafter-ausbildung-und-innerer-kuendigung/
Kommentare